Die Hagia Sophia in Berlin

Ein Gedanke zur Zeit

 

In Berlin entsteht etwas weltweit Einmaliges: Juden, Christen und Muslime bauen gemeinsam ein Haus, unter dessen Dach sich eine Synagoge, eine Kirche und eine Moschee befinden. Ein Haus des Gebets und der Lehre. Ein Haus der Begegnung für Menschen verschiedener Religionen und auch für die, die den Religionen fernstehen. „House of One“ wird der Name dieses Gebäudes sein – ein gemeinsames Haus, das dem Reichtum der religiösen Traditionen Raum bietet.

Aus heutiger Sicht könnte das „House of One“ und die ihm zugrundeliegende Vision die neue „Hagia Sophia“ werden. Im Gegensatz zu der im Jahre 532 errichteten Hagia Sophia des Kaisers Justinian im heutigen Istanbul. Denn derzeit bemächtigt sich große Torheit dieser byzantinischen Kathedrale: Entgegen ihrer Jahrhunderte alten Widmung der „Heiligen Weisheit“ wird dieser Prachtbau jetzt als Insignie türkischen Machtgehabes missbraucht. Da hegen die Initiatoren des „House of One“ ganz andere Gedanken: Nicht Allmachtsphantasien gelten diesen als „heilige Weisheit“, sondern im Gegenteil: das Verständnis füreinander, das Lernen voneinander und der Frieden untereinander.

Die wechselvolle Geschichte der antiken Hagia Sophia hätte lehren können, dass religiöse Machtdemonstrationen immer Unfrieden schüren. Gerade das aber beabsichtigt der rückwärtsgewandte, türkische Autokrator. Nützen wird ihm dieser Missbrauch von Religion dagegen nicht. Denn die von seiner Eitelkeit vereinnahmte Religion ist anderswo längst einen Schritt weiter.

Martin Steinbach